FINTA-Personen sind in Deutschland in der Berufswahl, aber auch in Parteien und Politik stark unterrepräsentiert. Wir zeigen die Probleme auf und ordnen die nachwievor problematische Situation ein!
von Charlotte Brunzema, Lukas Hinz und Fabio Lindhorst
Führungspositionen in großen deutschen Unternehmen. Welche Rolle spielen FINTA?
Während Männer größtenteils die Welt der Führungsetagen dominieren, beschränkt sich der Anteil an Frauen* in den Führungsetagen auf knapp 29,4%. Laut einer Umfrage von Sinus Sociovision für das Bundesfamilienministerium glauben auch nur 29% der männlichen Führungskräfte, dass sich der Anteil von Frauen im gehobenen Management von allein erhöhen wird. Woran liegt es?
Lukas’ Meinung nach liegt es daran, dass wir in einer immer noch stark männlich geprägten Gesellschaftsstruktur leben, in der Frauen* es schwer haben, sich bei offenen Positionen durchzusetzen, da sie immer noch von den Klischees geprägt sind, dass sie Schwanger werden könnten und dadurch ausfallen, oder nicht so belastbar sind.
In der Gesellschaft ist das Bild von weiblich-gelesenen Personen in Führungsebenen immer noch nicht komplett anerkannt. Das müssen wir ändern!
Wie ist die Macht in Deutschland verteilt? Die historische Rolle von FINTA in Regierungen und den Parlamenten
Wenn wir auf die vielen öffentlichen politischen Institutionen, wie zum Beispiel die Bundesregierung oder die Fraktionen im Bundestag, schauen und die Debatten um diese mitverfolgen, hören wir immer häufiger Forderungen bei denen es sich um Parität handelt oder die Besetzung einer wichtigen Position mit einer FINTA Person. Aber warum ist das so?
In Deutschland hat es seit dem zweiten Weltkrieg nur männliche Bundespräsidenten geben. Das bedeutet also, dass unter den zwölf Bundespräsidenten keine FINTA gewesen ist, die das höchste deutsche Staatsamt bekleiden durfte. Das liegt aber nicht etwa daran das es niemals eine FINTA Kandidatin geben hätte. Mit Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Annemarie Renger (SPD) und Gesine Schwan (SPD)soll hier nur ein kurzer Auszug an Kandidatinnen der letzten Jahrzehnte genannt sein. Deutlich wird hier, dass die FINTA Kandidatinnen also strukturell benachteiligt werden.
Ein gleiches Bild tut sich auch auf, wenn ein Blick auf die Liste der Bundeskanzler*innen geworfen wirft. Unter den neun Bundeskanzler*innen ist mit Angela Merkel nur eine FINTA vertreten. Bei den Bundestagspräsident*innen sind es drei von 14 FINTA Personen, die dieses Amt bekleiden bzw. bekleidet haben. Aktuell ist Bärbel Bas (SPD) Präsidentin des Deutschen Bundestages und bekleidet damit als einzige FINTA eines der fünf höchsten Staatsämter. Die weiteren vier werden von Frank-Walter Steinmeier (Bundespräsident), Olaf Scholz (Bundeskanzler), Bodo Ramelow (Bundesratspräsident) und Stephan Harbarth (Präsident des Bundesverfassungsgerichts) bekleidet. Auch hier wird ein Ungleichgewicht der Machtverteilung zwischen weiblich und männlich gelesenen Personen sehr deutlich.
Die aktuelle Bundesregierung, ausgenommen dem Bundeskanzler selbst, ist die erste paritätisch besetzte Bundesregierung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein wichtiger Erfolg und eine schon lange Jahre notwendige Entwicklung!
Der Bundesregierung gehören aktuell acht weiblich gelesene und acht männlich gelesene Minister*innen an. Zum Vergleich, mit Emma Sophie Elisabeth Schwarzhaupt war erst zwischen 1961 und 1966 die erste FINTA in Westdeutschland Ministerin geworden und der ersten gemeinsamen Regierung des wiedervereinigten Deutschlands gehörten anfangs gerade mal vier Ministerinnen an. Klar ist also, dass wir mit der ersten paritätisch besetzten Bundesregierung auf einem sehr guten Weg sind, aber klar ist auch, dass der Prozess bis zu diesem Punkt einfach zu lange gedauert hat und wir immer wieder ein Auge darauf haben müssen, dass aus diesem wichtigen Fortschritt kein Rückschritt wird.
Werfen wir im Kontext der Parität nämlich auch nochmal einen Blick in den Bundestag, merken wir schnell das auch hier Nachholbedarf vorhanden ist. Im Deutschen Bundestag gibt es aktuell 256 weiblich gelesene Abgeordnete, der Anteil liegt also bei 34,8%. Auch wenn hier im Vergleich zu der Zusammensetzung des Bundestages nach der Wahl 2017 wieder ein Zuwachs von 4,1% stattgefunden hat, liegt der Anteil aber erneut hinter den 36,5% von 2013. Wir erkennen also eher einen Rückschritt, als eine progressive Entwicklung hin zu einer paritätischen Besetzung im Bundestag. Hier müssen sich alle Parteien gemeinsam bewegen! Die Landeslisten müssen durchweg quotiert aufgestellt und dadurch für weiblich und männlich gelesene Menschen gleichwertige Chancen geschaffen werden. Einige im Deutschen Bundestag vertreten Parteien praktizieren das schon heute, andere müssen noch nachziehen. Gerade vor den Wahlen braucht es Empowerment für FINTA, auch wenn es zum Beispiel um die Kandidatur um ein Direktmandat geht. Der Kampf für Parität im Bundestag und für die gleichwertige Repräsentanz beider Hälften der Gesellschaft geht also noch weiter!
Es wird sehr schnell deutlich, dass der Kampf für die gleiche Repräsentanz von FINTA in Staatsämtern, der Regierung und den Parlamenten, auch in Zukunft noch weitergehen wird. Als Jusos in der SPD werden wir hier auch weiterhin als progressive, feministische Kraft einfluss nehmen und unsere internen Strukturen kritisch hinterfragen, aber auch anpassen. Wir sind uns bewusst, dass wir in diesem Bereich schon vieles geschafft haben, aber fordern auch ein, dass wir diesen Weg gemeinsam bis zum Ziel gehen!
FINTA in den Parteien – Wie ist die aktuelle Situation und was muss sich noch ändern?
Wir machen eine kleine Zeitreise in das Jahr 1908, genauer gesagt zu dem 15. Mai 1908. Das ist der Tag, an dem das Reichsvereinsgesetz in Kraft tritt. Dieses Gesetz besagt, dass FINTA-Personen das Recht haben, Mitglieder in Vereinen zu werden und sich politisch zu engagieren. Seit dem hat sich viel geändert, FINTA sind nicht mehr aus der Politik wegzudenken und seither wurden viele große Meilensteine gesetzt.
Ob es nun Annemarie Regner war, die die erste Präsidentin des Deutschen Bundestages wurde oder Heide Simonis (SPD) die als erste FINTA Ministerpräsidentin in einem Bundesland wurde. Es hat sich viel geändert in den letzten 100 Jahren.
Dieser lange Erfolgsweg ist mehr als lobenswert und doch gibt immer noch viel zu tun!
Heute reden wir nicht mehr darüber, ob FINTA überhaupt in der Politik vertreten sein sollten, sondern darüber, dass sie immer noch seltener vertreten sind, als Männer.
Denn nicht nur im Bundestag oder in den Unternehmen ist das der Fall, sondern auch innerhalb der einzelnen Parteien ein Thema. Im Jahr 2019 lag der Anteil an FINTA-Personen in der SPD bei 32,2%, die Grüne liegen mit 41% am weitesten vorne und die AfD bildet hier mit 17,8% das Schlusslicht. Mit 26,5 % liegt die CDU im Mittelfeld. Hier zeigt sich sehr deutlich, wie Männer-dominiert die einzelnen Parteien sind und das nicht einmal die Hälfte der Mitglieder FINTA-Personen sind.
Vergleicht man diese Zahlen mit denen aus dem Jahr 2009, also von 10 Jahren vorher, ist es schockierend. Damals lag der Anteil von FINTA in der SPD bei 31,2%, die Grünen hatten einen Anteil von 37,4% und die CDU hatte einen Anteil von 25,0%.
Kurz gesagt: Die SPD hat ihren Anteil in 10 Jahren um gerade mal 1% erhöht.
Es ist nicht nur problematisch, dass weniger FINTA als Männer in Parteien vertreten sind, sondern auch, dass Spitzenpositionen in den einzelnen Parteien häufiger von Männern besetzt werden. In der SPD hat es bis zum Jahr 2018 gedauert bis Andrea Nahles, als erste weiblich gelesene Person, Parteivorsitzende auf Bundesebene wurde. Ihr folgend ist Saskia Esken, erst gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans und dann mit Lars Klingbeil zusammen, seit 2019 Parteivorsitzende. Es gibt aber auch Parteien wie die FDP, die bis heute keine einzige FINTA-Kandidatin als Parteivorsitz gehabt hat, genauso wenig wie die CSU.
Doch was ist der Grund hinter diesen niedrigen Zahlen und den seltenen Kandidaturen für hohe Positionen? Was genau hindert FINTA- Personen daran, gute und hohe Plätze in den einzelnen Parteien anzunehmen?
Hier ist wichtig anzumerken, dass es zu dem Thema, warum FINTA-Personen weniger in der Politik aktiv sind als Männer, keine umfassenden Untersuchungen gibt. Wenn es genauere Untersuchungen zu dieser Problemstellung geben würde, könnte man die Gründe genauer betrachten und besser die Probleme in den Parteistrukturen beheben.
Doch es lässt sich mutmaßen warum dieses Problem immer noch ein Thema ist, denn ganz offensichtlich liegt es nicht daran, dass FINTA-Personen kein Interesse an der Politik haben. Das Ganze ist auf ein strukturelles Problem zurückzuführen. Häufig finden Parteiveranstaltungen abends oder an den Wochenenden statt und da bleibt selten Zeit für die Familie, den Job und die Carearbeit. Es gestaltet sich sehr schwierig für FINTA die Zeit in der Politik mit dem Familienleben zu vereinbaren und leider geschieht es hier schnell, dass ein Ehrenamt dabei zu kurz kommt.
Doch nicht nur hier liegt ein strukturelles Problem vor, sondern auch die alteingesessenen männlich dominierten Netzwerke sind eine große Hürde. Um in der Politik leichter voranzukommen und gute Positionen zu erhalten, ist es hilfreich gute Netzwerke zu haben. Jedoch stechen die “Männerrunden” hervor. Das kann vor allem für FINTA abschreckend sein, die neu in eine Partei eintreten möchten und es braucht mehr Anreize, um sich in der Politik als FINTA zu engagieren.
Hier braucht es unbedingt größere Netzwerke für FINTA, damit sie sich untereinander gegenseitig besser unterstützen können, aber es muss auch einfach mehr Vertrauen in sie und ihr Können gesetzt werden.
Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist auch, dass FINTA-Personen auf ihr Äußeres reduziert werden. Dabei wird ihnen ihr Können und ihre politische Expertise abgesprochen und das darf einfach nicht sein.
Ein Gutes Beispiel für die Sexualiseriung von FINTA liefert ein Artikel von news.de mit dem Titel “Sexy Politikerinnen: Mit ihnen wollen die Deutschen ins Bett”. Auch wenn dieser Artikel aus dem Jahre 2013 stammt und ganz offensichtlich sehr strittig ist, zeigt es doch ganz gut, wie manche Menschen auch heute noch über Politiker*innen denken.
Kurz zusammengefasst: Es geht in diesem Artikel darum, mit welcher Politikerin die deutschen Männer fremdgehen wollen. Dabei gibt es ein Ranking, welche der ausgewählten Personen denn am “heißesten” sei. Solange solche Artikel erscheinen, die auch heute immer mal wieder veröffentlicht werden, gibt es noch sehr viel zu tun.
Wichtig ist also, um die Entwicklungen des Frauenanteils in Parteien weiter fortschreiten zu lassen, dass die Arbeit in Parteien familienfreundlicher gestaltet wird, dass FINTA mehr zugetraut wird und dass sie mehr Unterstützung erhalten. Es muss vor allem bessere und größere Netzwerke für FINTA geben, damit ihnen ihre politische Arbeit in den männlich dominierten Parteien einfacher gemacht wird und es attraktiver gemacht wird, etwas bewegen zu können.
Es gibt seit über 100 Jahren das Recht für Frauen, Mitglied in einer politischen Partei zu sein und doch wird dieses bis heute noch viel zu selten genutzt und das muss sich ändern.